Irgendwann stirbt jede Hoffnung

„Es… Es tut mir Leid“, dachte ich. Mein Partner bemerkte nicht, was gerade mit mir geschah, ebenso wenig, wie ich. Bis vor ein paar Sekunden war noch alles normal gewesen, wir hatten den Zeitturm gerettet und Dialgas wahres Ich zurück geholt, doch nun trat die Wahrheit ein, die Reptain und Zwirrfinst nicht länger vor mir verschweigen konnten. Gelbliche und bläuliche Lichtpunkte umgaben mich, erst nur ein paar wenige, vereinzelte, doch mit jedem Moment stieg ihre Anzahl an. Ich wollte es nicht tun, doch die Worte platzen plötzlich aus mir heraus, ich hatte meinen Mund nicht mehr unter Kontrolle. 

„Héri… Ich… Ich…“ Ich brachte es nicht übers Herz, meinem Partner von dem Geschehen zu berichten, doch nun war es tu spät. Ich hatte etwas gesagt, ich hatte ein Geräusch beschworen und somit die Aufmerksamkeit meines besten Freundes geweckt. Er drehte sich um und blickte mir in die Augen. In den seinen lag tiefe Trauer, als er sah was mit mir geschah, er hatte es also verstanden. Tränen quollen aus seinen gläsernen Augen und fielen anmutig gen Boden herab, bis sie dort wie ein Schiff an einer Klippe zerschellten und in tausende, kleine Teilchen zersprang.
„Vipé, bitte… Geh nicht!“, flüsterte Héri. Seine Stimme war schwach und zerbrechlich, sodass ich mich anstrengen musste um meinen Partner zu verstehen, „Ich brauche dich hier. Die Gilde braucht dich hier.“
Weitere Tränen glitten sein Gesicht hinab und vielen zu Boden, ich betrachtete sie und meinem besten Freund, die Ähnlichkeit der Beiden lag in der Trauer. Doch woher wusste Héri so viel? Ich konnte mich nicht erinnern, ihm etwas davon erzählt zu haben. Hatte er Reptain und mich etwa belauscht?
„Es tut mir Leid“, hauchte ich, „Du wirst weiterleben müssen!“
Héri blickte mich mit einem traurigen Blick an. Eine Spur Verwirrung lag in seinen Augen, doch ich redete einfach weiter. 
„Geh nach Hause. Erzähl allen was passiert ist. Erzähle ihnen wer Reptain wirklich war und was Zwirrfinst verbrochen hat. Berichte allen von der Zukunft und dem verborgenen Land und beschreibe wie wir Dialga besiegt haben. Erkläre ihnen den Zeitturm und sorge dafür, dass alle Zahnräder der Zeit dorthin kommen, von wo sie stammen. Sag allen, das ich sie vermissen werde.“
Héri lag die blanke Trauer auf dem Gesicht, noch nie hatte ich etwas Derartiges gesehen, wie es sich hier, direkt vor meinen Augen abspielte. Auch mir entrann eine Träne, doch sie war nur der Vorbote auf einen ganz Schwall ihrer Sorte, auch wenn ihnen nicht viel Zeit blieb, gleich würde ich verschwinden…
„Es tut mir Leid, dass ich gehen muss, Héri, aber das Schicksal will es so… Du bist und bleibst immer… mein bester Freund.“ 
Mit diesen Worten brachte ich meinen Partner dazu, auf die Knie zu fallen. Er hatte die Hände zusammen gefaltet und betete zu Arceus, dieses Drama zu beenden, mich auf dieser Welt leben zu lassen – Doch betteln schien zwecklos. Héri war traurig und er hatte Angst. Was würde er nur ohne mich machen? Wie sollte er in der Gilde arbeiten, wenn er keinen Partner mehr hatte? Trauer überkam ihn und binnen weniger Sekunden schwappte diese auf mich über.
Das Licht wurde stärker und ich spürte, wie mein Atem zu stocken begann. Er wurde immer abgehackter, bis man es nur noch ein Hecheln nach Atemluft nennen konnte. Mit blanken Entsetzten musste mein Partner Héri beobachten, wie sein aller bester Freund, ich, dahin schied. Es musste ein grausames Gefühl für ihn sein.
Ich spürte wie mir langsam schwarz vor Augen wurde und mein Denken langsam begann auszusetzten. Der Herzschlag in meinem Körper, das rhythmische Schlagen, meines Lebenselixiers, stoppte ab und mein Körper verschwand in einem endlosen, unbekannten Raum. Zurück blieb Héri, mit seiner Trauer und seinen Gedanken. Er dachte an mich und an unsere schönsten gemeinsam Momente. Zurück an den Kampf gegen Groudon und an das Zahnrad der Zeit am Nebelsee. Damals wussten wir noch nicht, dass ich aus der Zukunft stammte, wir hatten Selfe um Hilfe gebeten. Er dachte zurück an den Kampf gegen Zwirrfinst und seine Zobiris, wie Celebi uns vor das Zeitportal gezaubert hatte und wir durch eben dieses zurück in die Gegenwart flüchten konnten. Seine Gedanken schweiften um die Momente auf dem Zeitturm, wie wir das Schatten-Dialga bekämpften und es schließlich besiegt hatten. Schließlich erinnerte er sich an unsere ersten gemeinsamen Sekunden, am Strand von Schatzstadt. Damals hatte er mich ohnmächtig im Sand vorgefunden, woraufhin sein wertvollster Schatz, der später als Schlüssel ins Vergorgene Land dienen sollte, gestohlen. Héri und ich hatten ihn zurückgeholt und nach einigen Überlegungen ein Erkungsteam gegründet. Es war wie als könnte ich seine Gedanken lesen und ohne zu wissen, warum ich es tat, begann ich zu sprechen. Meine Stimme klang anders, als wäre sie nicht die meine. Sie war leise und krächzte ein bisschen, doch trotzdem verstand mein Partner jedes Wort, welches ich ihm in meinen letzten Sekunden mitteilte.
„So hat es angefangen und so wird es enden.“ 

Mit diesem Satz tat es einen hellen Ton und das Licht ummantelte mich, bis es mich vollkommen verschlungen hatte. Mein Körper löste sich in tausende, winzige Partikel auf, bis auch diese vollends von dieser Erde verschwanden, es bleib kein Hinweis auf meine Existenz zurück, so als wäre ich nie geboren worden. Ich war gekommen als Mensch und ging als Pokémon, zurück blieb mein Partner Héri. Dort lag er - Allein und verlassen auf den Steinen des Zeitturms, welcher nun gerettet war, gerettet durch uns. Diese Rettung war mein Ende und gleichzeitig ein Neuanfang für meinen Partner. Er verharrte auf dieser denkwürdigen Brücke und weinte. Millionen von Tränen fanden ihren Weg aus seinen Augenliedern heraus, auf den steinigen Boden, wo sie langsam und qualvoll versickerten. Mit ihnen Héris letzte Hoffnung, mich wieder zu sehen.