~ 炎の夜 ~
»Na, mein Freund. Hat deine Seele schon einmal geblutet? «
»Nein. Aber mein Herz. «
Das Knistern des Lagerfeuers war nicht wirklich
laut, in der Umgebung war es kaum zu vernehmen. An diesem wahren, einladenden Geräusch durften nur zwei Gestalten in diesem Wald teilhaben. In dieser mondlosen Nacht saßen zwei Pokémon an diesem
Lagerfeuer, sie wärmten sich und erzählten sich Geschichten. Geschichten, die sie erlebt hatten. Eines der Beiden war sehr schlau und hatte schon eine große Lebenserfahrung, dazu noch eine hohe
Reife. Das andere hingegen war jung und hastig, hatte keinerlei Vorsicht und hatte sein erstes Abenteuer noch nicht mal hinter sich. Der Name des schlauen Geschöpfes war Akumu. Es hatte
wahrscheinlich doppelt so viele Jahre auf dem Buckel wie sein Gegenüber, welcher auf den Namen Shun hörte.
»Was führte dich hier her, Shun?
«
»Unwissen «, antwortete das Nagetier knapp und
richtete seinen Blick auf das Geistpokémon, das ihm gegenüber, zwischen ihnen nur das Feuer, schwebte.
»Worin besteht dein Unwissen? «, harkte Akumu
bedacht nach. Seine roten-gelben Augen leuchteten geheimnisvoll und trotz ihren wunderschönen Farben machten sie Shun mit ihrem leeren und doch durchbohrenden Blick Angst. Es schien fast, als wolle
das Geistpokémon die Antworten gar nicht hören, sondern aus seinem Gedächtnis ziehen, wie einen Fisch an der Angel. Als wolle es seine Gedanken lesen.
»Nun, ich… Ich habe jemanden getroffen, den ich
sehr lange nicht gesehen habe. Ihr Name ist Shain. Ich habe sie seit einer Ewigkeit nicht gesehen, zuletzt als ich vor ihrem Trainer geflüchtet bin. Er hat mich gefangen und ich bin ausgebrochen.
Weggerannt. Habe sie allein gelassen. « In Shuns Blick lag Trauer und das Geistpokémon erkannte diese; zeigte jedoch wenig Verständnis und fragte einfach weiter. Warum nur?
»Wer ist sie? «, erwiderte Akumu und sah seinen
Gegenüber prüfend an. Wie dem hellblau-weiß gestreiften Nagetier mit den großen, glänzenden Zähnen und den gelben elektronischen Backen, mit seinen schwarzen Augen der Schweiß an der Stirn entlang
ran. Er schien seinen Zustand nahezu zu genießen.
»Sie ist… meine Liebe «, flüsterte das Pachirisu
und schloss die Augen, »Ich liebe sie. Aber was tut sie? Sie ignoriert mich, als wäre ich nicht da. Wechselt kein Wort mit mir; alles was sie gesagt hat, erschien erzwungen und knapp. So habe ich sie
noch nie erlebt. «
»Und warum bei Gott kommst du damit zu mir? «,
machte Akumu schamlos weiter. Er schien sich nicht um die Gefühlslage seines Gesprächspartners dieser Nacht zu scheren; nur warum sprach er mit ihm? Das Pokémon macht nicht den Eindruck als würde es
nur mit Shun reden, um es zu ärgern. Dafür war es viel zu klug. Was war der wahre Hintergrund?
»Ich möchte wissen wieso! «, brachte das
Elektropokémon brüchig hervor. Was dort in seiner Stimme lag, war Angst. Die pure Angst; vor der Antwort des Geistpokémon. Die rote Kette um den dunkelblauen Körper des älteren Pokémon leuchtete im
Flackerschein des Lagerfeuers und warf ein mysteriöses Licht auf die rötlichen Haarspitzen, am Ende dieser. Das Traunfugil machte einen furchterregenden Eindruck.
»Du suchst Antwort auf diese Frage, bei einem
alten Kauz wie mir, der nichts anderes tut, als am Tag zu schlafen und des Nachts durch die Menschensiedlung zu geistern und ihnen einen Schrecken einzujagen? «, spottete Akumu höhnisch, »Denkst du
wirklich, dies sei der richtige Weg? «
Einen Moment lang war es ruhig. Doch dann nickte
Shun eifrig mit dem Kopf: »Ich bin nicht umsonst hierher gekommen, Akumu. Ich möchte Antworten, weil ich weiß, dass du sie hast. «
»Mein Freund, «, begann das Traunfugil nun
erneut, indem es seine Stimme hob, »hat deine Seele schon einmal geblutet? «
Stille. Magische Stille; als hätte das
Geistpokémon seinen Gegenüber verzaubert. Versteinert und gelähmt. Wehmütig sah Shun dem weisen Pokémon in die Augen. Es war eine Art von Trauer, die beide Gesellen in diesem Moment überkam, sowohl
jung als alt.
»Nein «, hauchte Shun tiefgründig, »Aber mein
Herz. «
Das Gespräch der zweien Gesellen schritt noch
weit voran, in dieser flammenden Nacht sollte der neue Bund einer Freundschaft entstehen; ein unzertrennbarer Bund. Akumu gab dem kleinen Pachirisu eine Antwort und dieses schein zufrieden. Doch noch
war die Sonne nicht aufgegangen. Noch hatte der Mond die Regie in der Hand; und dieser lies das Stück weiterlaufen. Und so nahm es seinen Lauf.
»Ich habe etwas Derartiges nie erwartet «,
meinte Shun bedacht, als er sich vorneigte und sein Gesicht nun etwas stärker von den Flammen beleuchtet wurde. Alle seine Züge waren zu erkennen und Akumu las aus seinem Gesicht, wie aus einem Buch.
Es konnte seine ganze Lebensgeschichte nur von seinen Augen ablesen. Doch lies er das Nagetier dennoch zuerst reden. Aber es kam nichts, worauf das Traunfugil schließlich erneut seine Stimme hob und
begann zu sprechen.
»Die Antwort lag auf der Hand. Manchmal müssen
wir einfach nur etwas weiter denken. Doch genau das ist das Schwere. Du hast heute Nacht nichts dazu gelernt, mein Freund, aber dennoch bist du um einiges weiser geworden. «
»Ja «, meinte Shun und ein Schmunzeln huschte
über seine Lippen, »Und das ganz alleine. «
Ebenso so schnell wie es kam, verschwand es auch
wieder.
Die Nacht fand ihr Ende und schließlich musste
auch dieses Stück sein Ende finden. Seine Zuschauer werden womöglich nie erfahren, was Shun in dieser Nacht der Flammen herausgefunden hat; aber vielleicht war es so, wie Akumu es gesagt hat.
Vielleicht ist es wirklich nicht das Traunfugil gewesen, dass ihn auf den Pfad der Erleuchtung gebracht hat. Es war er selbst. Und wenn man es aus dieser Warte betrachtete, ist es völlig unwichtig,
was die Antwort auf Shuns Frage war. Denn jeder der Zuschauer kann sich seine eigene Antwort denken. Denn jeder Zuschauer, hat ein Herz das bluten kann. Und wie zu jedem Ende eines Stückes,
schloss sich auch hier der Vorhang. Die Sonne ging auf, und ein neuer Tag begann.