Kapitel 2
Mit Volldampf ins Leben!



Als wären Schulstress und Liebesprobleme nicht genug, muss sich Harima auch noch Tag ein, Tag aus mit irgendwelchen Möchtegernstraßenschlägern prügeln um seine Ehre und seinen Stolz bei zu behalten. Meistens nimmt er es mit zwei oder sogar gleich drei von ihnen gleichzeitig auf und selbst der riesige Tennouji in Begleitung ist kein Problem, für das Kraftpaket. Doch wenn Tennouji gleich seine ganze Gang mitbringt? Und es dann nicht mehr zwei oder sogar drei, sondern fünfzehn sind? Dann wird es schon schwerer. 
Vielleicht erwartet der ein oder andere Leser nun eine brachiale Schlacht voller Blut, Tränen und gebrochener Knochen… (Oder sogar Tote) Nein, sowas wird euch keineswegs vor Augen geführt. Stattdessen kann man nun einen leichtfüßigen Japaner beobachten, welcher den gezielten Schlägen der Männer ausweicht und diese somit dazu bewegt einander gegenseitig den Schmerz im Leib hervorzurufen, indem sie sich selbst und ihre Kumpanen schlagen, anstatt ihn, was doch eigentlich ihr Ziel war. Letzten Endes stehen nunmehr noch eben dieser, Harima Kenji, und Tennouji. Rache… ‚Er hat sich in Tenma verliebt. Dafür bekommt er meine Faust zu spüren‘, schoss es Harima durch den Kopf, bevor er seinen letzten Gegner hämisch, vielleicht sogar ein bisschen herablassend, angrinste. Bisher hatte er noch keinen einzigen Schlag verteilt, alle seine Gegner hatten einander selbst eliminiert, was selbst den großen Tennouji etwas überrascht stimmte. 
„Und nun Harima“, fuhr dieser jedoch unbeirrt fort, „Schreib dein Testament!“ Er holte mit seiner linken Faust aus und rannte geradewegs auf den stämmig gebauten Jungen mit der Sonnenbrille zu und traf ihn direkt im Gesicht. Nein, doch nicht! Wir können doch nicht unseren Helden fallen lassen… Es geschah so, wie Tennouji es sich nie hätte erträumen können. Nur Bruchteile einer Sekunde bevor seine Faust in Harimas Gesicht treffen sollte beugte sich dieser nach vorne und machte einen Schritt seitwärts, wobei er seinen linken Fuß stehen ließ, sodass der unkoordinierte Schläger hilflos über diesen stolperte und zu Boden ging. Ohne auch nur einen Finger zu regen hatte er auch Tennouji besiegt; er hatte ihm einfach nur ein Bein gestellt… Unglaublich, dieser Junge. 
„Harima…“, keuchte der Junge, nach wie vor mit dem Gesicht nach unten liegend und wahrscheinlich viel zu schwach um aufzustehen, indes und starrte dem Jungen auf die Sonnenbrille, „Woher nimmst du diesen Mut und diese Kraft?“
„Pah!“, fauchte dieser jedoch nur und wand sich von dem großen Jungen ab. ‚Tenma, mein Liebling… Ich mache das alles nur für dich. Durch meine Liebe zu dir kann ich Bäume ausreißen und es mit schier jedem aufnehmen, der mir begegnet. Ich liebe dich, Tsukamoto…“ 

„Er sitzt schon wieder dort…“ – „Das ist mein Platz…“ – „Willst du ihn da weg drängen?“ – „Lieber hau ich unserem Lehrer eine runter; die Strafe würde wohl milderer ausfallen“ – „Ein wahres Wort, Nara.“ 
Viel mehr brachten die verwirrten, allen voran jedoch leicht verängstigen, männlichen Schüler der Klasse 2C heute Morgen nicht raus. Dieser Harima, der Schläger und Schreckenskerl der Schule, saß schon wieder in ihrer Klasse, dabei war er doch sitzen geblieben. Es kümmerte ihn nicht; alles war ihm völlig gleich. Hatte er die Lehrer angebettelt? Oder wie kam er hierher? Armer Nara… Er musste sich jetzt wohl einen neuen Platz suchen. 
Auf seinem Platz sitzend dachte Harima angestrengt nach. Seine Gedanken weilten nicht länger bei Tennouji und ihrem Kampf, oder bei seinen Geldproblemen, oder gar – er wagte es kaum das Wort auszusprechen – bei der Schule… Nein, er war in Gedanken voll und ganz bei seiner Angebeteten… Tenma. 
„Warum kommt er denn auf einmal jeden Tag hier her?“, wurde das Ganze von Nara kommentiert, der sich kopfschüttelend aufmachte einen neuen Platz zu finden und dabei von seinen Freunden begleitet wurde. Ob diese ihm helfen, oder das nur machten um sich zu amüsieren, war aus der Ferne nicht zu erkennen… Und Harima war es eigentlich auch egal. 
Geräuschvoll öffnete sich die hintere Tür des Klassenraumes und ihre Schwester betrat den Raum. Sie sah ein bisschen gehetzt aus, als hätte sie es eilig. Schnelles Schrittes durchquerte sie den Raum und lief hinüber zur Fensterseite; Harima kümmerte das ganze Wenig. Obgleich es Tenmas Schwester war, war sie doch nur Tenmas Schwester… Was kümmerte es ihn also? „Mhm“, brummte er nur nachdenklich und wand sich wieder seinen wunderschönen – in seinen Augen aber unerreichbaren – Gedanken zu. 
„Du hast wieder dein Lunch-Bento vergessen, Schwester“, tadelte Yakumo mit Tenma, obgleich mal hören konnte, dass sie es keinesfalls böse meinte. Immerhin hatte sie es ihr auch noch vorbeigebracht, was ebenfalls eine freundliche Geste darstellte. 
„Danke Yakumo“, pfiff Tenma fröhlich; ihre zwei Zöpfe hüpften erregt auf und ab und ihr Lächeln strahlte Dankbarkeit, sowie Freude aus. Tenma war ein so nettes, freundliches Mädchen, was sie leider aber auch sehr naiv scheinen ließ… Sie und ihre Schwester undhielten sich noch einen Moment, als ihr Blick plötzlich mehr oder weniger des Zufalles auf Harima schwankte. Sie runzelte überrascht die Stirn; auch sie konnte nicht glauben, dass er hier war. Aber gut, wenn er hier war, dann war er eben hier. ‚Ist doch schön, dass er sich jetzt endlich auch für die Schule interessiert‘, überlegte sich Tenma, obgleich sie den Jungen ja gar nicht kannte. Schon verwunderlich! 
„Hey Harima-kun“, meinte sie mit einem Mal, worauf dieser wie von einer Wespe gestochen aufschreckte und sogleich still da saß und versuchte seine Scham zu unterdrücken. Wie er da so saß glich er gänzlich einer Steinstatue; denn er bewegte sich ebenso wenig wie eine solche. „Du kannst doch nicht den Tisch auf die Tasche stellen, das tut der doch weh!“, pfiff sie und zog an seiner Tasche, sodass sie langsam unter dem Bein des Tisches hervor glitt und nun endlich wieder ohne Gewicht auf sich war. Sie war etwas kaputt an den Seiten und vor allem war sie ziemlich geknickt. Offenbar hatte Harima-kun nicht viele Schulbücher, wenngleich sogar keines, dabei, denn seine Tasche war wirklich federleicht. Während Tenma sie pflichtbewusst und mit äußerster Vorsicht neben seinen Tisch stellte. „So ist’s schon viel besser“, meinte sie, blickte Harima kurz an und setzte sich daraufhin wieder zurück auf ihren Platz. Harima hingegen konnte sein Glück kaum fassen… Er hatte mit ihr geredet. Tenma…

Ein Maulen durchfuhr die Schüler der 2C als Tani-sensei, ihr noch recht junger Englischlehrer, die Klasse betrat und voller Elan einen kleinen Test ankündigte. 
‚England?‘, fragte sich Harima, während Tani-sensei und der Klassensprecher Hanai die Blätter austeilten, ‚Davon habe ich schon gehört. Soll irgendwo bei Amerika sein! Wird schon schief gehen?!‘ 
„Dreht die Blätter um“, sagte Tani-sensei, „Ihr habt jetzt dreißig Minuten Zeit die Aufgaben zu bearbeiten. Viel Glück!“
Harima drehte das Blatt um und just in diesem Moment konnte er nicht glauben, was er da sah… Nun ja, glauben war das falsche Wort. Lesen traf es viel eher. Was sollten diese komischen Dinger da bedeuten? Total verwirrt griff sich der Junge an seiner Sonnenbrille und runzelte nachdenklich die Stirn.
‚Das können nur alte, japanische Schriftzeichen sein… Ich war noch nie gut, in Alt-Japanisch.‘ Er fasste sich offenbar schwer nachdenken an die Stirn, fasste jedoch nach einigen Versuchen diese mysteriösen Zeichen aufzuklären einen schöneren Gedanken und wand sich somit wieder seiner geliebten Tenma zu. ‚Tenma, sag… Wirst du den Test schaffen?‘ 
Sein Blick ruhte auf dem Mädchen und strich sanft von ihr herunter auf ihren Fragebogen. So wie er das erkennen konnte hatte sie schon zwei Fragen beantwortet. ‚Sie ist also gut in Alt-Japanisch‘, überlegte Harima schwärmend, als sein Blick plötzlich auf die linke, obere Seite des Blattes fiel. 
‚Sie hat vergessen ihren Namen auf das Blatt zu schreiben!!!‘, schrie der Junge innerlich auf, ‚Was soll ich denn jetzt nur tun? Es ist Prüfungszeit und ich kann sie nicht ansprechen, aber wenn ihr Name fehlt bekommt sie eine 6! Das weiß man doch… 
Oh man, was soll ich denn jetzt machen? Was soll ich de-‘ … ‚Ich habs!‘, dachte Harima, in dem Moment als ihm ein Licht im Kopf aufging. Er drehte sich leicht zu ihr um und begann komische Geräusche mit seinem Mund zu machen. Gleichzeitig formte er mit diesen jedoch den Satz „Schreib deinen Namen auf das Blatt“, was sich allerdings als sehr schwer herausstellte. Noch dazu schien es, als würde Tenma gar nicht auf die seltsamen Spei- und Würgeräusche des Jungen geachtet haben; unbeirrt beschrieb sie weiter das Blatt ohne ihren Namen – wenn Harima sie nicht darauf hinweisen würde sogar völlig umsonst. Aber wie nur? Erneut versuchte er es mit dieser Taktik, dieses Mal jedoch mit völlig anderen, noch verrückteren Geräuschen, sodass sich ein paar der anderen Schüler argwöhnisch zu ihm umdrehten. Harima hingegen schenkte diesen nur ein beschämtes Lächeln und wand sich dann wieder seinen Gedanken zu… Wie sollte er das schaffen? ‚Moment!‘, schoss es ihm durch den Kopf, offenbar hatte er erneut eine Idee. Mutwillig richtete er sich von seinem Stuhl auf, streckte die Arme in die Luft und ließ sie letzten Endes auf seiner Sonnenbrille erstarren. Unbeirrt und wohl auch etwas voreilig begann er laut zu schreien: „OOOH NEEEIIIIN!!!“ Zügig erntete er verwunderte Blicke, doch diese störten ihn nicht; er fuhr einfach fort. 
„Ich habe vergessen meinen Namen auf den Prüfungsbogen zu schreiben und wir wissen ja alle was das bedeutet, da gibt’s 0 Punkte!!“, brüllte er voller Kraft, mit einem Auge dabei auf Tenma, seine Angebetete, schielend. Doch anstatt ihr meldete sich nun ihr Lehrer Tani-sensei zu Wort. 
Zunächst begann er laut zu lachen, was von seinen (mehr oder weniger?) wissbegierigen Schülern untermalt wurde, doch dann fasste er sich und meinte nur schmunzelnd: „Gut, dass du mitdenkst, Harima!“ Er lächelte den Jungen an und drehte sich dann wieder weg. 
‚Scheiße!‘, dachte der Sonnenbrillenträger, ‚Alle lachen über mich… Aber das ist wert!‘ Er warf einen Blick auf Tenma und sogleich erstarrte er. Sie lachte ebenfalls über ihn, obgleich es ein freundliches Lachen zu sein schien, keines Falls ein „Auslachen“, und lächelte nur so vor sich hin. Ihren Namen hatte sie allerdings nicht auf die Arbeit geschrieben. ‚Tenma… Schreib deinen Namen auf dein Blatt‘, wollte Harima schreien, doch es ging leider nicht. 
Aber Harima und aufgeben? Nein, das passte nicht zusammen und so hatte er schon lange eine neue Idee im Kopf, welche er nun verwirklichen wollte. Leise holte er einen Radiergummi aus seiner Tasche und streifte die Papierhülle von ihm ab, sodass er blitz und blank war. Groß genug um eine kleine, feine Nachricht auf ihm zu schreiben. Vielleicht sowas wie „Schreib deinen Namen auf dein Blatt“? Harima schmunzelte und setzte seinen dritten Plan in die Tat um – dass er auch eine Arbeit hat (und da ebenfalls nicht seinen Namen drauf geschrieben hatte) hatte er offenbar gänzlich verdrängt. Nun ja; wer nun erwartet, dass die Idee funktioniert und Tenma Harima bis in alle Ewigkeit dankbar ist und die beiden ein Paar werden und später heiraten werden und Kinder kriegen und gemeinsam alt werden und… der liegt hier vollkommen falsch, denn das Schicksal hat offenbar Spaß daran Harima eines Besseren zu belehren. Oder? 
Nachdem die Nachricht verfasst wurde, neigte sich Harima ein bisschen zurück und ließ seinen Radiergummiausversehen aus der Hand fallen. Er hatte schon ein selbstsicheres, befriedigtes Lächeln aufgelegt und das behielt er auch. Na ja, zumindest bis er die Flugbahn seines Briefes beobachten musste. Er prallte etwas unpraktisch auf und wie es das Schicksal mit ihm wollte sprang er kreuz und quer – sogar einmal ganz nah an Tenma vorbei – herum, bis er schließlich nicht an dem Platz neben ihm, wo seine Angebetete saß, sondern eine Reihe vor ihm stehen blieb – bei Nara-kun. Dieser hob ihn auf und wollte ihn gerade zurückgeben, als der die Schriftzeichen sah. Er drehte sich zu seinem Blatt und entdeckte die leere Spalte, hinter dem „Namen“. Er nickte, lächelte und schrieb seinen Namen. Daraufhin drehte er sich um und reichte Harima dne Radiergummi wieder. Dieser jedoch starrte ihn an, als hätte Harima eine Woche nichts gegessen und Nara-kun hätte ihm soeben die Reisbällchen vor der Nase weggefuttert.
„Nichts für Ungut, Nara“, flüsterte Harima und schlug ihm dann mit oberster Präzession seine Faust ins Gesicht. Nara fiel dadurch fast vom Stuhl; konnte sich jedoch gerade noch so halten. Eingeschüchtert sah er Harima an, dessen stählerner Blick Lase abzuschießen schien.
‚Das gibt’s einfach nicht… Es muss doch eine Möglichkeit geben, dass sie darauf achtete… Immerhin rasselt sie sonst durch und das könnte ich nicht verantworten. Na ja, ich glaube ich habe alles versucht. Was soll ich denn jetzt nur machen!?‘ 
Verzweifelt raufte er sich die Haare; er schien wirklich eine Leidensphase durch zu machen… Der Arme.
‚Moment mal! Es sei denn… Was wäre, wenn ich einfach ihren Namen auf meinen Bogen schreiben würde? Dann wäre ich zwar namenlos – und würde somit die 6 kassieren – aber sie würde es schaffen…‘ Verträumt stellte er sich vor, wie sie ihn nach dem Unterricht hinter der Turnhalle aufsuchte und ihm tausendfach dafür dankte, dass er das getan hatte. Sie umarmte und küsste ihn. ‚Ich liebe dich auch, Tenma‘, fuhr es ihm durch den Kopf. Sein Entschluss war gefasst!
„Jaaaaa!“, brüllte er mutwillig und schlug mit seiner flachen Hand auf den Tisch. Erneut erregte er damit das Aufsehen seiner Mitschüler, doch kümmerte es ihn nicht, dass immer wieder getuschelt wurde „was ist denn jetzt los?“ oder „der ist ja verrückt“. Es war ihm völlig gleich, denn er tat es nur für Tenma…
‚Tsu… ka… mo… to…‘, schrieb er ihren Namen auf das Blatt und schon war er fertig. Er warf noch einen letzten Blick zu ihr herüber, bevor Tani-sensei zum Abgeben aufrief. Wie erwartet, schrieb sie ihren Namen nicht auf das Blatt… ‚Tenma, ich rette dich und deine Note!‘ 

Vorhin fragte man euch, ob ihr nun eine Art „Happy End“ schon so früh erwartet, dass die beiden wegen sowas zusammen kommen, richtig? Selbiges könnte doch auch nun der Fall sein… Aber wie gesagt, ist Harima wohl des Peches geweiht. 
Als Tani-sensei am nächsten Tag die Arbeiten zurück gab, hat Tenma nachdem sie ihre Blatt entgegen genommen hatte, ihren Kopf unter ihren Armen begraben und nicht mehr hochgesehen. Warum das? Nun, das Ganze lässt sich durch Tani-senseis Kommentar zu ihrer Arbeit erklären, welcher postwendend folgte: „Tsukamoto; 0 Punkte!“ 
Wie vom Blitz getroffen erstarrte Harima… Er verharrte einen Moment und schrie dann innerlich wie am Spieß ‚Es tut mir so leid, Tenma. Entschuldige!!!‘ Tja, hätte er mal lieber selber etwas gearbeitet… Schade. 

~

„Hey, habt ihr später Lust mit mir einen Café trinken zu gehen?“, fragte Mikoto ihre drei Freundinnen. Die vier waren zurzeit auf der Mädchentoilette und warteten auf die kleinste, Tenma, die sich noch schnell die Hände wusch. Die anderen, Eri, Akira und natürlich Mikoto, waren bereits fertig. 
„Klar gerne“, antwortete Eri und lächelte ihre blauhaarige Freundin an. 
„Ich würde dann gerne noch in den Supermarkt gehen, dort haben sie heute ein paar tolle Angebote… Ich frage mich, was wir heute essen“, kommentierte Tenma das Ganze – vielleicht etwas aus dem Kontext gegriffen –, während sie das Stück Seife wieder weglegte und sich das bisschen reinigenden Schaum mit Wasser von den Händen wusch. 
„Wie bitte?“, brachte Eri überrascht hervor. 
„Was ist denn los, Eri-chan?“, wollte nun Akira wissen, obgleich sie die Antwort zu kennen schien. 
„So ein verwöhntes Mädchen wie du kocht doch nicht selbst… Bei euch im Haus ist es doch Yakumo, die für die Verpflegung sorgt, richtig?“, meinte Eri wissend und blickte Tenma von oben herab an (jedoch keines Falls bösen Willens, so war Eri nunmal). 
Tenma seufzte resigniert, doch musste sich eingestehen, dass Eri wohl recht hatte, was sie ihr auch so sagte. Diese musste darüber nur leicht lachen und somit war die Situation beendet. Gemächlich liefen die Vier auf den Ausgang zu, vorne Mikoto und hinten Akira, während sich Eri und Tenma zwischen den Beiden noch über die nächste Stunde (Englisch) unterhielten. Mikoto stand schon auf dem Gang und bewegte sich nach einem prüfenden Blick aus dem Fenster in Richtung Klassenzimmer, dicht gefolgt von Eri die ihr Gespräch mit Tenma abgebrochen hatte, als eben diese stehenblieb. Ihr Blick hatte sich verfangen in einem verwobenen Spinnennetz der Gefahren. Dieses Netz; es brannte vor Liebe und trug nur einen Namen: Karasuma. 
‚Aber das heißt ja…‘, überlegte sie einen Bruchteil einer Sekunde, bis ihr der entscheidende Gedanke in den Kopf schoss und sie panisch wieder in die Mädchentoilette sprang. Eilig verschloss sie die Tür hinter sich und lehnte ihren Rücken an die Tür. 
„Wieso?“, hauchte sie niedergeschlagen und; dabei zog sie das ‚o‘ besonders lange. Vor ihr stand Akira, vollkommen überrascht – zum ersten Mal schien sie nicht zu wissen, was los war.
„Lässt du mich bitte raus?“, fragte sie jedoch trocken; worauf Tenma nur nicken konnte. Es war ein zögerliches, flehendes Nicken; als würde sie sagen „geh nicht!“ und ihr dabei zu Füßen liegen. Natürlich erkannte das schlaue Mädchen ihre Haltung sofort, und wartete noch einen Moment ab. 
„Also gut… es ist ja Pause“, seufzte sie und sah Tenma fragend an, „Sag schon; was ist los?“ 
Sie hingegen schüttelte nur deprimiert den Kopf und deutete daraufhin knapp mit ihrer linken Hand auf die Tür zur Mädchentoilette, woraufhin sie von Akira nur einen verwunderten, fragenden, aber auch leicht genervten, Blick erntete.
„Tut mir Leid Tenma“, meinte sie erneut, „aber dafür habe ich keine Zeit. Darf ich?“ Akira wirkt wirklich gereizt; ob es ihr heute nicht gut ging? Sie war doch sonst so einfühlsam, obgleich sie an sich ihre Gefühle nie zeigte, und verstand immer alles und jeden. Warum nicht auch sie; jetzt? Aber für sowas hatte eben Tenma jetzt keine Zeit mehr. Sie nickte nur knapp, trat einen Schritt zur Seite und schon war Akira verschwunden; die Tür fiel wieder zu. 
‚Was macht Karasuma-kun denn da vor der Mädchentoilette!?‘, fragte sie sich innerlich sofort, als sie endlich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Die ganze Zeit über hatte sie es nicht gewagt, diesen grässlichen Gedanken aufzugreifen, aber nun musste sie sich wohl doch der Wahrheit stellen. Aber der hatte auch Nerven… Man kann doch nicht einfach vor dem Mädchenklo stehen bleiben. Das wusste doch nun wahrlich ein jeder, dass sich jedes weibliche Wesen dafür schämte – nicht umsonst gingen sie sich „das Näschen pudern“… 
Jetzt hieß es warten? Tja, es schien keine weitere, sinnvolle Option zu geben. Sie kam sich lächerlich vor, sich vor jemanden auf der Toilette verstecken zu müssen, aber ihr Stolz sollte ihr verbieten, den Raum zu verlassen ehe Karasuma-kun verschwunden war. Nach ein paar Momenten des Nachdenkens und einer nie enden wollenden Horrorvorstellung von „einem Leben in der Toilette“, wagte es Tenma einen Blick auf den Flur zu riskieren. Sie öffnete die Tür – nur ein paar Milimeter weit – und spickte hinaus auf den Gang, wo… Karasuma-kun immer noch stand. Er hatte seine Arme an der Fensterbank abgestützt und seinen Kopf nach rechts gedreht; neben ihm stand Nara-kun aus ihrer Klasse, mit dem er sich angeregt über etwas zu unterhalten schien. 
‚Das gibt’s doch nicht!‘, fauchte sie wütend, ‚Geh da weg, Karasuma-kun.‘ Sie klang innerlich mehr verzweifelt, als fordernd; was das Universum wohl bemerkt hatte, denn auch nach ein paar Minuten stand der schwarzhaarige Junge nach wie vor an seinem Platz und unterhielt sich. Tenma lugte nun fast schon alle paar Sekunden durch den Türspalt um zu bemerken, falls er sich wegdrehen würde – aber es war nicht so. Nein; es kam ganz anders. Nach ein paar weiteren, qualvoll lang andauernden Minuten beobachtete das Mädchen, wie ihr Schwarm ein dickes Buch auspackte, während sein Gesprächspartner das Weite suchte. 
‚Oh nein…‘, dachte sie sich, während ihr imaginäre Tränen aus den Augen hinab auf ihre Wangen flossen, ‚dann gibt es nur eine Möglichkeit; mein Plan B!‘
Eilig durchquerte sie das Bad mit ein paar wenigen Schritten, bis sie an der letzten Kabine ankam. Sie öffnete die Tür und griff an die Klopapierrolle. „Dann spielen wir jetzt wohl Museumswächter und Mumie“, kicherte Tenma leise und begann, sich in ihre neue Rolle einzukleiden. 
Und dabei war sie so beschäftigt, dass sie ihre Freundin Mikoto gar nicht hinein kommen bemerkte. Das blauhaarige, große Mädchen lief an den vielen Waschbecken vorbei, bis sie das Bad einmal durchquert hatte.
„Tenma?“, fragte Mikoto in den „leeren“ Raum hinein, als plötzlich die Tür der letzten Kabine aufging und ein kleineres Mädchen mit einem Klopapierturban aus dieser heraustrat. Die zwei Zöpfe, die sie für gewöhnlich kennzeichneten, hatte sie nicht unter dem Papier verstecken können und so hingen sie zu beiden Seiten heruas.
„Tenma, bist du das!?“, fragte Mikoto verdutzt, doch schüttelte sie daraufhin nur den Kopf und trat einen Schritt zurück, „Sowas muss ich mir nicht geben, Tenma. Der Unterricht geht in einer Viertelstunde los, wir warten oben im Klassenraum auf dich.“ Mit diesen Worten drehte sich Mikoto um und verließ schnellen Schrittes die Mädchentoilette.
„Wie hat sie mich nur erkannt?“, fragte sich Tenma leichtgläubig – ob sie die Frage ernst gemeint habe, sei in den Raum gestellt. Aber mit dem Gedanken daran befasste sich das Mädchen gar nicht mehr lange; stattdessen begann sie schon mit der Ausarbeitung ihres nächsten Plans – Plan C! 
Ein verschmitztes Lächeln zierte ihre Lippen, als ihr die wohl rettende Idee endlich kam. Schnell lief sie geradeaus auf eine Tür gegenüber den Kabinen zu, in der sich die Utensilien für die Putzfrauen befanden. Putzeimer, Staubtücher und natürlich auch ein Wischmob. Und genau mit diesem Teil war ihre Idee verknüpft; sie beruhte praktisch darauf. 
‚Ich werde seine Aufmerksamkeit auf diesen Mob lenken, dann habe ich genug Zeit zu fliehen!‘, kalkulierte sie strategisch, was ihr nächster Zug sein würde. Und die Ausführung Plan Cs lies auch nicht länger auf sich warten. 
Langsam, dem Gang eines Astronauten auf dem Weg zu seinem Spaceshuttle ähnelnd, lief sie auf die Tür der Mädchentoilette zu; welche in etwa von gleicher Bedeutung war, wie der einzige Ausgang eines Labyrinths. Jetzt musste sie es nur noch schaffen, den Löwen vom Eingang weg zu bekommen. 
Sie öffnete die Tür einen Spalt und daraufhin passierte alles ganz schnell. Sie visierte Karasuma-kuns Kopf an und wanderte dann ein paar Zentimeter zur Seite, sodass sie ihn nicht treffen würde. Daraufhin riss sie ruckartig die Tür auf und warf den Wischmob, ähnlich wie ein Speerwerfer seinen Speer, und schloss gleich danach peinlich berührt die Tür hinter sich; denn just in diesem Moment, als sie den Mob geworfen hatte, war jemand den Gang entlang gelaufen, den sie jetzt getroffen hatte… Dieser Jemand war niemand anderes als Harima-kun, welcher natürlich davon ausging, das man ihm einfach von der Seite eins übergezogen hätte. Tja, und wer musste dran glauben? Karasuma- und Fujuji-kun, die beide unmittelbar daneben standen. 
„Na, wer von euch war das? Karasuma, oder etwa du, Fuyuki!?“, brüllte Harima wütend; Tenma sah quasi vor ihrem inneren Auge, wie er seine Zähne fletschte und seine Fäuste ballte. „Ist ja auch egal, ich mach euch einfach beide fertig!!“ 
Der Rest blieb Tenma – und somit auch dir – erspart, da sie sich bereits der Entwicklung ihres nächsten, und hoffentlich letzten, Planes gewidmet hatte. Obwohl man diese Phase kaum Entwicklung nenne konnte; viel mehr war es ein verzweifeltes Ringen nach einer Idee, welches jedoch nicht belohnt wurde. Ratlos stand das Mädchen vor der Putzkammer und betrachtete die restlichen Gegenstände, die sie vielleicht retten könnten. Sie hoffte inständig auf einen guten Einfall, denn dass Karasuma-kun dort weggehen würde; diese Hoffnung hatte sie bereits aufgegeben. 
Als würde sie sich ihrem Schicksal geschlagen geben nahm sie sich willkürlich einen Gegenstand aus der Kammer, mit dem sie sich beschäftigen konnte, setzte sich auf den Boden, nahe beim Fenster, und begann nachzudenken. Der Gegenstand war ein Pömpel, den sie immer wieder gegen die Wand drückte, woraufhin jedes Mal aufs Neue dieses lustige Geräusch entstand, was sie sogar in dieser heillos verzwickten Lage etwas zum Kichern brachte. Diesen Akt wiederholte sie unzählige Male, bis auf einmal etwas dabei schief lief. 
Da war plötzlich nicht mehr das Geräusch, und der Pömpel… der ging nicht mehr ab! Er hatte sich richtig fest verankert an der Wand. 
‚Und was jetzt?‘, fragte sich Tenma panisch. Schnell stand sie auf und zog so stark sie konnte an dem Girff; doch es geschah rein gar nichts. Das durfte doch jetzt nicht wahr sein, als hätte sie nicht schon genug Probleme. Heftig und heftiger zog sie an dem Griff, welcher sich keinen Milimeter bewegen zu schien. Bis es auf einmal ein lautes Ploppen zu hören gab, gefolgt von einem Poltern; woraufhin Tenma mit verzerrten Gesichtsausdruck, den Rücken an der Wand einer Toilettenkabine, lag und sich ärgerlich den Kopf rieb. Aber wenigstens war der Pömpel wieder von der Außenwand ab. Kopfschüttelnd ließ sie ihren Blick diese Wand hinauf wandern, bis sie schließlich an einem Fenster ankam. Ein Fenster, das gerade groß genug war, dass sie hindurch kommen würde. Und als sie den Plömpel noch ein paar Minuten betrachtet hatte, kam ihr endlich die rettende Idee. 

Und ehe sich Tenma versah, hatte sie zwei diese Pömpel bei sich – einen pro Hand – und hatte sie auf die äußere Fensterbank geschwungen; dritter Stock – Schulgebäude. Unter ihr etwa fünfzehn Meter nichts, bis ein harter, kalter Asphaltboden erschien. Und da wollte sie jetzt runter? Tja, mit ihrer neuen Gerätschaft. Waghalsig, gar todesmutig könnte man es bezeichnen, schwang sie sich an die Wand und stieß sofort darauf beide Pömpel an diese, welche kurz ploppten und hingen blieben. Ihr Plan war also aufgegangen! Und so kam sie – wie durch ein Wunder? – unbeschadet an. Zwar hatte sie ganze drei Schulstunden verpasst (und hatte jetzt sogar aus) aber sie hatte es geschafft. Erleichtert überließ sie – endlich wieder am Erdboden – den Pömpel zunächst einmal der Anziehungskraft, welche sofort ganze Arbeit tat. Erschöpft legte sie ihre Hände auf die Knie, wodurch sie ihren Oberkörper abstütze. Als sie sich langsam wieder aufrichtete legte sie sich mit ihrer linken Hand eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und blickte dann in Richtung Schulhofes, woraufhin ihr praktisch der Kiefer abfiel… Wer dort stand, war niemand geringeres als Karasuma-kun! Er hatte sein Buch runter genommen und sah Tenma an, fast schon bewundernd. 
„K… k… karasuma-kun, was machst du denn hier!?“, brachte sie nur stotternd und hauchend hervor. Ihre Haare fielen ihr wieder ins Gesicht, was an dieser Stelle vielleicht sogar gut war, denn so sah er zumindest nicht genau, wie Tenmas Gesicht von einer auf die anderen Sekunde quasi knallrot wurde, gut zu vergleichen mit einer Tomate… 
„Das war nicht ungefährlich, Tsukamoto“, meinte er nur, mit seiner – wie immer – monotonen Stimme, „Gut, dass du dich nicht verletzt hast.“ Den letzten Satz gab er gerade noch so hörbar von sich, dann drehte er sich auf den Fußspitzen zur Seite und folgte dem Weg des Schulhofes zum Schultor, von wo er, wie jeden Tag, mit seinem Fahrrad heim radeln würde. 
„Aber…“, keuchte sie nur und schüttelte demonstrativ den Kopf, „Das gibt’s doch nicht!“ Doch trotz allem hatte Tenma den Tag überstanden, und sie wusste ja nicht, wofür es gut war, das genau das passiert, was eben passiert ist… Wenn es für etwas gut ist.

~

Zu Hause angekommen war ihre Stimmung nicht wirklich besser; verheult saß sie am Esstisch mit ihrer kleinen Schwester, genauso wie sie sich zuvor schluchzend vor den Fernseher gesetzt hatte. Nicht mal ihre Lieblingsserie konnte sie ordentlich genießen, das Ganze schien ihr doch wichtiger zu sein… 
Aber nach dem Abendessen kam sie, lediglich durch eine Randbemerkung seitens Yakumo, auf einen anderen Gedanken: Morgen fand die ärztliche Untersuchung an der Schule statt – und darauf musste sie vorbereitet sein! Dass sie heute und morgen nichts mehr essen würde war ja sonnenklar, aber einem guten Ergebnis bedarf noch einiges mehr, zudem dies nichtmal ihr einziges Ziel war. (Sie aß natürlich nichts, damit sie auf der Waage morgen leichter war!) Trotzdem kam sie wohl nicht mehr drum herum, schon am heutigen Abend vor zu wiegen, um in etwa auf das morgige Ergebnis vorbereitet zu sein. Im Bad hatte sie nur einen Bademantel an, welches sie jedoch auch ablegte, als sie auf die Waage stieg. Die Tür hatte sie natürlich abgeschlossen, denn nichtmal ihre kleine Schwester sollte sie in der jetzigen Situation so sehen. Nachdem sie mit ihren Vorbereitungen fertig war, stellte sie zunächst einen Fuß auf die elektronische Waage, und hielt kurz inne. 
„Bitte, bitte… sei freundlich zu mir“, flüsterte sie dem Gerät zu, als es nur wenige Sekunden später von draußen ins Bad schallte; mit der glockenklaren Stimme ihrer Schwester: „Tenma, ist alles okay bei dir?“
„Ja, ja, ja“, rief sie nur aufgebracht zurück, „Es ist alles okay… ich rede nur mit der Waage.“ Letzteres fügte das Mädchen nur beiläufig hinzu, da sie sich selbst etwas dafür schämte, aber irgendwie waren diese Worte mehr oder weniger von selbst über ihre Lippen gekommen. 
„Und was sagt die Waage so? ‚Tenma, du bist ein hübsches und kluges Mädchen‘ oder sowas in der Art?“, harkte Yakumo spaßeshalber weiter nach, wofür sie jedoch postwendend ihre Antwort bekam.
„Haha“, spielte die ältere der beiden ein genervtes Lachen, „Wie lustig, Schwesterherz. Vielleicht ist sowas für dich einfach, weil du keine Problemzonen oder sowas hast, aber für mich ist das nicht so einfach… Ich bin eine einzige Problemzone!! Und jetzt verschwinde hier.“ Hysterisch warf Tenma einen zornigen Blick in Richtung der Tür, welcher offenbar – wie durch Magie! – seine Wirkung zeigte. 
„Na dann…“, murmelte Yakumo vor der Tür und verschwand wieder. Tenma wartete, bis der Schall ihrer Schritte verklungen war, und stellte sich dann mit ihrem kompletten Gewicht auf die Waage. ‚Bitte…‘, hallte es ihr ein letztes Mal durch den Kopf – daraufhin hörte man – und damit war nicht nur Yakumo, sondern auch die gesamte Nachbarschaft gemeint – einen grellen Schrei, ausgehend aus dem Bad der Tsukamotos. 
Eilig, gar voller Sorge, lief Yakumo mit dem Ersatzschlüssel zum Bad und öffnete behänden die Tür. Drinnen eröffnete sich ihr ein recht amüsanter Anblick, allerdings war die Sorge um ihre Schwester größer, als ihr Eindruck der Situation. Schnell lief sie die paar Schritte zu dem Mädchen, welches zusammengekauert in einem größeren Handtuch neben der Waage lag, und leise, sowie beständig, etwas vor sich her murmelte. So wirklich sicher war sich Yakumo nicht, allerdings kristallisierten sich die häufig genannten Wörter „Alptraum“ und „aufwachen“ immer wieder heraus, sodass sich die jüngere Schwester fast schon denken konnte, wovon die Rede war. 

Entsprechend des schrecklichen, wirklich fatalen sogar, Ergebnisses am Abend zuvor, verhielt sich Tenma auch am nächsten Tag in der Schule. Während am Morgen alle möglichen Jungs über … irgendwas redeten, und die Mädchen über ihre Abnehmtaktiken, und, beziehungsweise oder, wie sie die Zahlen auf der Waage manipulieren wollten, saß Tenma alleine an ihrem Platz, ihren Kopf in ihre Arme vergraben. So lange, bis plötzlich Eris blonden Haare vor ihrer Nase erschienen. Das Mädchen, mit schwedischen Eltern, hatte sich vor Tenma gebückt und versucht zwischen Arm und Kopf hindurch zu schauen, was jetzt jedoch nicht mehr nötig war, da sie ihren Kopf gehoben hatte, sodass sich auch ihre Freundin wieder aufrichten konnte. 
„Sag mal, Tenma?“, fragte Eri auf ihre typische Art – es war glasklar, was nun folgen würde, „Es tut mir Leid, aber kann es sein, dass du in letzter Zeit etwas…“ – sie neigte sich gespielt vorsichtig etwas vor, damit es nicht jeder hier im Raum hören würde – „zugenommen hast?“
‚Volltreffer…‘
Die nächste die an ihrem Tisch auftauchte war Mikoto, die das Gespräch der beiden scheinbar mitverfolgt hatte. Sie legte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter und meinte freundlich: „Mach dir keine Sorgen, Tenma, du wiegst genauso viel wie ich.“
„Wirklich?“, meinte Tenma erstaunt, jedoch um einiges beruhigter.
„Schon“, ertönte nun Akiras Stimme, welche sich ebenfalls zu den Dreien gesellt hatte, „allerdings sind Mikotos Brüste, genauso wie allgemein ihr Körper, größer als deiner, das darfst du auch nicht vergessen.“
‚Volltreffer… Nummer zwei.‘
Sofort begannen die vier Freundinnen aufgeregt miteinander zu tuscheln, davon konnte sich Tenma selbst von ihrer schlechten Laune nicht abhalten lassen. Nebenbei passierte in der Klasse aber noch einiges anderes, und so zog besonders eine Unterhaltung zwischen Imadori und Nara besonders viel unserer Aufmerksamkeit auf sich. 
„Hm…“, brummte Ersterer nachdenklich, „Das sieht mir nach B aus…“ Sein Blick wanderte weiter. „Ah, ganz sicher A, wie schade. Und das…“ – er hielt einen Moment inne – „Das ist nicht so einfach, könnte eine Zwischengröße sein, hm…“
„Imadori, wovon redest du?“, fragte Nara, welcher von hinten auf den blonden Jungen zugelaufen kam, „Vielleicht von Blutgruppen, oder sowas?“ 
„Ach quatsch, du Kind“, meinte der Junge aufgebracht und starrte dem Blauhaarigen fast schon etwas ungläubig ins Gesicht. Offenbar wartete er darauf, dass dieser erneut etwas riet, doch da dem nicht so war, war Imadori so gnädig, ihm zu sagen, worum es ging. 
„Davon rede ich, Junge, davon!“, meinte er aufgeregt und formte mit seinen Händen zwei … (wahrscheinlich) Kugeln vor seinem Brustkorb, „Weißt du was ich meine? Ich muss nur hinschauen, und schon weiß ich, welche Körbchengröße sie haben!“ 
Neben den Beiden stand noch ein weiterer Junge, mit dunkelbraunen Haaren. Vor seinen Augen hielt er eine recht große, graue Kamera, mit der er offenbar allerhand Fotos von seinen Mitschülern machte, und dabei begeistert vor sich her sprach, wohlgemerkt. 
„Fuyuki“, fragte Nara auch hier nach, „Wozu die ganzen Fotos?“
„Dumme Frage“, bekam er eine nicht allzu freundliche Antwort zurück geworfen, „Ich dokumentiere die Entwicklung der Blüte unserer Jugend, verstehst du, was ich meine?“ Während er sprach, knipste er als weiter, offenbar hegte er nichtmal im Entferntesten den Gedanken, die Kamera auch nur für eine Sekunde von seiner Nase zu nehmen. 
„Aber sowas ist doch illega-“ Weiter kam Nara nicht, da er von Imadori zur Seite gerammt wurde. 
„Fuyuki, mein alter Freund“, begann dieser und zog dabei das erste „u“ unglaublich lange, „ich will von jedem dieser Bilder einen Abzug haben, okay?“
„Waaas?“, war Naras entsetzte Antwort dazu, doch bevor er weitersprechen konnte – was er bei Gott mit ziemlicher Sicherheit auch getan hätte – wurde er unterbrochen, und zwar von niemand anderem als dem Klassensprecher, Hanai. Er war eine der am besten gebautesten Jungs seiner Klasse, wahrscheinlich lag dies daran, dass er viel Sport trieb; zum Beispiel Judo. Aber neben sportlichen Aktivitäten, in denen er wirklich Eins-A war, zeichnete er sich nebenbei auch in jedem einzelnen Fach als hervorragender Schüler auf. Auch sein Aussehen war auffällig, beziehungsweise interessant, denn abgesehen von seinen (mehr oder weniger) normalen, schwarzen, mittellangen Haaren, die unter anderem zum Beispiel seine Ohren bedeckten, trug er auch eine sehr, sehr große Brille, die praktisch immer seine Augen verspiegelte, natürlich je nach Lichteinfall, aber in neun von zehn Fällen…
„Ich muss doch sehr bitten, Fuyuki“, meinte Hanai noch recht ruhig, bevor er dem Jungen nach ein paar Sekunden Bewährungszeit forsch die Kamera aus der Hand riss. Es blieb ihm natürlich nicht aus, dass Fuyuki mit aller Kraft um seine Ausrüstung kämpfte, allerdings kam Hanai auch hier wieder seine Sportlichkeit zu Gute, sodass er mit dem angehenden Fotografen keinerlei Probleme hatte und die Kamera in seinem Besitz blieb, vorerst zumindest. 
Vielleicht ist ja die Unterhaltung der Mädchen doch etwas interessanter…

‚Karasuma-kun wird heute auch untersucht‘, überlegte Tenma, die sich schon seit einigen Minuten aus dem Gespräch ausgeklinkt hatte und seit dem – wer hätte es gedacht – angestrengt über ihren Schwarm nachdachte. 
‚Ich würde gerne alles über ihn wissen… Wie groß er wohl ist? 1,71 vielleicht? Oder doch 1,72? … Nein, ganz sicher 1,72, dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen! … … Und wie viel er wohl wiegt? Tja, woher soll ich wissen, wie viel so ein Junge wiegt?‘ Einen Moment runzelte sie die Stirn, ohne fortzufahren. ‚Egal, heute Abend werde ich all das wissen!‘ In ihrem Kopf malte sie sich noch einiges anderes aus, allerdings versuchte sie sich nun wieder etwas mehr auf ihre Freundinnen zu konzentrieren. 
„Nur weil diese Jungs uns alle… ihr wisst schon wie, sehen wollen…“
„Ja, so eine Frechheit. Wenn sie das unbedingt wollen, sollen sie doch Arzt oder Krankenschwester werden, Mensch, Mensch…“ Ohne weiter nachzugrübeln, war sich Tenma sicher – sowas konnte nur von Eri kommen. 
„Oh man, du fällst wirklich von einem Extremen ins Nächste…“
„Mikoto hat recht, Eri“, meldete sich jetzt auch wieder der etwas zurückhaltende Akira zu Wort, „Außerdem werden Männer Krankpfleger, und nicht Krankenschwestern, das wären wir Und was du dir vorstellst, Eri…“
„Och Leute, ich habe doch nur einen winzigen Fehler gemacht!!“ – Diese hysterische Stimme gehörte natürlich wieder zu der Schwedin. Aber eine Sache daran war gar nicht so dumm… 
„Ja!“, rief Tenma mit einem Mal freudig umher, sodass viele Leute im Raum, nicht nur ihre drei Freundinnen, sie erstaunt ansahen, was sie jedoch nicht allzu sehr zu kümmern schien. Sie bemerkte lediglich, dass ihr Ruf etwas zu laut war, und setzte sich wieder (natürlich hatte sie sich beim Schreien aufgerichtet)
„Was ist denn los, Tenma?“, fragte Mikoto als Erste nach. 
„Ich werde Krankenschwester!“, meinte sie freudig, sprang auf und lief mit wenigen Schritten, fast schon tanzend, auf die Tür des Klassenzimmers zu, welche sie ebenso schnell öffnete, und dann wieder schließ. 

Und so dauerte es nicht lange, bis Tenma gestriegelt und geschniegelt als eine rosa-rote Krankenschwester im Zimmer einen Stock tiefer stand, wo sie das Kostüm her hatte – schien wohl der Requisitenraum für Theaterstücke zu sein. Freudig schrieb sie einen Namen auf das Namensschild – doch wohl hoffentlich nicht ihren eigenen? – und verließ den Raum wieder. (Dass ihre drei Freundinnen ihr heimlich nachspioniert hatten, merkte sie natürlich nicht)
‚Und jetzt werde ich jegliche Daten von Karasuma-kun bekommen… Ausnahmslos, alles!‘, überlegte sie sich gespannt wie ein Bogen, als sie sich auf dem Weg zum Arztzimmer machte. Dort angekommen stellte sie sich vor die Tür, legte ihre Haare etwas untypisch für sie auf eine Seite und atmete tief durch. ‚Also los!‘ Dann trat sie ein, und was sie sah, glaubte sie ihren Augen nicht. 
„Ha… Har… Harima-kun, was…“, flüsterte sie nur schwach, ohne wirklich einen Satz formen zu können.
„T-tenma!“, brachte er ebenso stockend hervor. 

 

Und das ging ordentlich daneben! Nur wenige Minuten später erschallte eine Durchsage über die Lautsprecher, dass die ärztliche Untersuchung aufgrund gewisser Komplikationen verschoben werden sollte, und alle Schüler nun nach Hause gehen können. Ob, und wie viel, Ärger Harima und Tenma dafür bekommen sollten, ist unklar, allerdings lässt sich wohl leicht erraten, was der Junge mit Sonnenbrille dort zu suchen hatte – seines Zeichens Chefarzt!